Plastic! Magic!

Park Jiha & The Blow

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist nicht leicht, wie in den frühen 80er Jahren zu klingen. Immerhin muss man alte analoge Synthesizer heranschaffen und anderes altmodisches Gerät. Das Duo The Blow aus Brooklyn, bestehend aus Khaela Maricich und Melissa Dyne, erzeugt damit einen polierten, minimalistischen Synthiepop für Introvertierte. Erfreulicherweise sind die Tracks nicht mit belanglosem Gesäusel versehen, sondern mit zeitgemäßen politischen Texten. Maricich und Dyne gehören dem Kollektiv Womanproducer an, einer Plattform für Klangerneuerer/innen, die sich als weiblich, trans oder nichtbinär identifizieren und althergebrachte Geschlechterrollenmuster infrage stellen. In ihrem Stück »The woman you want her to be« wird etwa die Frau und die ihr heute noch immer zugesprochene gesellschaftliche Rolle als jederzeit formbarer, passiver Gebrauchsgegenstand und Ausstellungsstück thematisiert: »Think of her as a mass / Not one ass, but a mass of asses / Plastic, magic, passive, perfectible / Limitless, a living receptacle« (»Stell sie dir als eine Masse vor / Nicht als einen Arsch, sondern als Masse von Ärschen / Formbar, wunderbar, widerstandslos, vervollkommnungsfähig / Ein lebendes Gefäß, unbegrenzt«). Die folgsame, ganz auf ihre Funktion als ansehnliches Anhängsel des Mannes konditionierte Frau, geformt nach dem vom Patriarchat vorgegebenen weiblichen Schönheitsideal: »Just let her know what you want her to get rid of, she’ll take care of it« (»Teile ihr einfach mit, welche Teile von sich sie loswerden soll, sie wird sich dann darum kümmern«). Pop, der die gegenwärtige Phase des Kapitalismus zu seinem Thema macht, ohne peinlich zu sein oder als leere Phrasenmaschine zu fungieren. Hat man ja heutzutage nicht so oft.

Auch die Coverversion von Whitney Houstons 1985er-Hit »Greatest Love of All«, immerhin auch als eine Hymne an Unangepasstheit und Selbstbestimmung interpretierbar (»At least I’ll live as I believe / No matter what they take from me / They can’t take away my dignity« / »Wenigstens werde ich nach meinen Vorstellungen leben / Ungeachtet dessen, was sie mir wegnehmen / Meine Würde können sie mir nicht nehmen«), ist hier von jeder Schnulzigkeit und jedem Schwulst gereinigt, klingt ein wenig wie von Gary Numan in einem gekachelten Labor zusammenmontiert.

Auch super: das Debütalbum von Park Jiha aus Südkorea. Mithilfe der Piri (ein flötenähnliches Blasinstrument), dem Yanggeum (eine Art Hackbrett), dem Vibraphon und anderen Percussioninstrumenten eingespielt, entsteht eine elegische und sich hie und da ins Anarchische steigernde Besinnungsmusik, in der die Einflüsse aus Post-Rock, Jazz und Minimal Music unüberhörbar sind. Als würde man mit koreanischen Folk-Instrumenten versuchen, Stücke von Sonic Youth nachzuspielen!

The Blow: »Brand New Abyss« (Womanproducer/Cargo)
Park Jiha: »Communion« (Tak:til/Glitterbeat)

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